Opera & Operette

Richard Wagner und die ersten Festspiele

 

© Hartmut Haenchen

 

Die folgenden Auszüge dokumentieren die Unzufriedenheit Richard Wagners mit dem künstlerischen Ergebnis der ersten Festspiele.

Richard Fricke, Tagebuch 13.8.1879:

"Abends erste Vorstellung von "Rheingold". Von den Verwandlungen mißglückte vieles und ich kann wohl sagen, auf keiner Probe sind diese Fehler vorgekommen. Zum Schluß wurde Wagner eine halbe Stunde lang gerufen - kam aber nicht. Er saß außer sich in seinem Zimmer, schimpfte auf alle Darsteller, außer auf Hill und mich, welche bei ihm waren, er war nicht zu beruhigen."

Richard Fricke, Tagebuch, Ende August 1876:

"Er fühlt von Tag zu Tag wie anders sein Werk noch in Szene gesetzt werden kann, er fühlt heraus, was alles zu verbannen und zu verwerfen ist (...).

"Nächstes Jahr machen wir alles anders", sagte er mir unter vier Augen."

Max Brückner, Mitteilung an Erich Kloss, vor 1908:

"Die sehr eingehenden Besprechungen und Klarstellungen der Absichten des Meisters erforderten mancherlei Änderungen der Ausführung nach den Josef Hoffmann'schen Entwürfen; es war nicht mehr die Zeit genug, um den Wünschen des Meisters in allem nachkommen zu können und so lag die Absicht schon damals vor, für später den Ring noch einmal gänzlich neu in Szene gehen zu lassen."

Richard Wagner an Lilli Lehmann, 7.9.1876:

"Wir werden nächstes Jahr noch Vieles zu corrigieren haben; ich hoffe, die Meisten werden willig dazu sein, zu meinem Ziele, eine immer correctere Aufführung herbeizuführen, mitzuwirken."

Cosima Wagner; Tagebücher, 9.9.1876:

"Abends lange Besprechungen der Aufführungen und der Erfahrungen, welche dabei gemacht. R. will die Matadoren Betz und Niemann nicht mehr; der erste ist aus Wut darüber, daß er nicht herausgerufen wurde, zu einer förmlichen Verhöhnung seiner Aufgabe gekommen! Brandt's Leistungen bei weitem hinter dem zurück, was man erwarten konnte! Richter nicht eines Tempos sicher - - trübseligste Erfahrungen! Ich spreche von der Scene zwischen Waltraute und Brünnhilde und finde, daß - so wundervoll sie sei - sie doch so ermüdend wirke, weil vorher zu viel Musik schon gehört worden; R. gibt mir recht und entschließt sich, den 1ten Akt zu teilen, eine lange Pause nach dem Vorspiel zu machen und den Akt mit der orchestralen Fahrt Siegfried's zu beginnen. Somit wäre die Götterdämmerung eine Wiederholung des Ganzen, ein Vorspiel und 3 Stücke. - Kostüme, Dekorationen, alles muß für die Wiederholung wieder vorgenommen werden. R. ist sehr traurig, sagt, er möchte sterben! -"

Richard Wagner an Ludwig II., 11.9.1876:

"(...) So will ich denn mein Werk auch nur vor mir, - vor Ihnen, mein Erhabener, retten. Ich will es noch pflegen, bis es in allen Theilen, soweit unsere schlecht geleiteten und verwendeten Kunstmittel reichen, rein, deutlich und mindestens correct dasteht, um wenigstens erst dann der schönen Mitwelt zur Verstümmelung übergeben werden zu können. So will ich für das Erste abermals drei Aufführungen im nächsten Sommer veranstalten: hierzu gedenke ich in einzelnen Theilen auch eine geeignetere Besetzung der Rollen vorzunehmen, und Alles in den Aufführungen erkannte Mangelhafte und Ungeeignete durch sorgfältiges Nachstudieren verbessern, wie denn auch die scenisch-decorative Ausstattung der besonnensten Nachhilfe und theilweisen Erneuerung bedarf. (...) Ich halte deswegen, eben weil ich es noch nicht für vollendet gut aufgeführt halte, mein Werk noch von aller weiteren Verbreitung zurück."

Richard Wagner an Judith Gautier, 26.9.1876?:

"in jenen Tagen, die für manche so erfreulich und für mich so unbefriedigend waren. (...)"

Richard Wagner an Friedrich Feustel, 7.10.1876:

"Ich hoffe demnach mit dem Schluß dieses Jahres alles in das reine gebracht zu sehen, und gedenke von Neujahr an die Wiederaufführungen in Angriff zu nehmen. Es kostet mich dieses letztere viel Überwindung, da ich, namentlich wenn ich die nötige Anerkennung und Unterstützung finde, sehr ernst und streng in der Korrektion der Aufführungen und des Personals selbst vorzugehen mich gehalten fühle, wozu mir jetzt noch jeder Mut und jede Laune abgeht."

Cosima Wagner; Tagebücher, 21.10.1876:

"R. träumt (...), daß Siegfried aufgeführt würde und daß etwas Unrichtiges auf der Bühne, "Brandt, die Beleuchtung geht ein", mit diesen Worten sei er aufgewacht! "

Richard Wagner an August Förster, Herbst 1876:

"Mein Werk ist noch nicht fertig: erst die Aufführungen haben mich über vieles dabei unfertig Gebliebene noch belehrt. Lassen Sie mir Zeit, im nächsten Jahr hier in Bayreuth in sorgfältig korrigierter Gestalt mein Werk nochmals vorzuführen."

Richard Wagner, Ansprache an die Abgeordneten des Patronatsvereins, Bayreuth, 15.9.1877:

"Selbst unter günstigen Umständen würde ich mich schwer zu einer Wiederholung entschließen. Denn unter dem Druck der damaligen Verhältnisse, auch weil niemand an das rechtzeitige Zustandekommen unsrer Aufführungen glaubte, hatten viele Beteiligten ihre Arbeiten für dieselben sehr vernachlässigt. Es wurde manches flüchtig, manches ungenügend gemacht. Nachlässigkeiten aller Art kamen vor, auch meinerseits. Mein Ideal ward mit den vorjährigen Aufführungen nicht erreicht.

(...) Sagen wir also, meine Herren, daß wir wieder am Anfange stehen, allerdings mit enormen Vorgebungen (wie man im Spiel sagt), die wir früher nicht hatten! (...) Wir haben die Freiheit, zu atmen und zu uns selber zu kommen. Diesen Eindruck der vorjährigen Festspiele haben wir von vorn an.

(...) Das haben wir jetzt voraus, daß dies einmal geschehen ist; aber auch so wäre es das letztemal gewesen, daß wir den Ring des Nibelungen in der alten Weise aufführten, und wohin es führen sollte, sehe ich nicht ein. Nur das sehe ich ein, daß wir nicht sowohl viel werden nachholen müssen - auch das Wort "nachholen" ist hier nicht am Platze; ich habe das Fehlende alles vorausgewußt - wir müssen vielmehr etwas ganz anderes bekommen."

Cosima Wagner, Tagebücher, 23.9.1878:

"Ach! es graut mir vor allem Kostüm- und Schminke-Wesen; (...) nachdem ich das unsichtbare Orchester geschaffen, möchte ich auch das unsichtbare Theater erfinden! - Und das unhörbare Orchester ", fügt er hinzu, das kummervolle Sinnen mit Humor beschließend."

Richard Wagner, Ein Rückblick auf die Bühnenfestspiele des Jahres 1876, Bayreuther Blätter 1878:

"Ist unser Theatergebäude bis jetzt keinem Tadel eines Verständigen unterworfen worden, so haben sich einzelne Aufführungen im szenisch-dekorativen Teile unsrer Festspiele Ausstellungen, namentlich von besserwissenden Unverständigen zugezogen. Worin einzelne Schwächen hierbei lagen, wußte niemand besser als wir selbst, wir wußten aber auch, woher sie rührten.

(...) Ebenso erging es uns mit der Herstellung des Lindwurmes übel: diese wurde einfach als eine Stümperei beurteilt, weil niemand sich die Mühe gab zu bedeuten, daß wir uns hier - aus Not - (...) in der letzten Stunde entschließen mußten unser Ungetüm ohne den Hals desselben, welcher noch heute auf einer der Stationen zwischen London und Bayreuth 1 unentdeckt liegt, mit dicht an den ungeheuren Rumpf geheftetem Kopfe, somit allerdings in großer Entstelltheit, in die Aktion zu führen.

(...) Der jetzt auf den Theatern, welche sich neuerdings der Mühen der Aufführung des Siegfried unterzogen haben, mit für uns so beschämend lebendig sich bewegenden Blättern ausgestattete Lindenbaum des zweiten Aktes mußte - immer aus demselben Grunde der Verzögerung - erst hier am Orte flüchtig nachgeschafft werden; der Schlußszene der Götterdämmerung blieb eine wohlerprobte Ausführung der hintern Verkleidung für alle Vorstellungen versagt."

Richard Wagner an Ludwig II., 9.2.1879:

"Der Musiker und der Dramatiker (gemeint ist der Regisseur) fehlen mir (...) noch gänzlich. Ich kenne keinen Dirigenten, dem ich die richtige Aufführung meiner Musik zutrauen könnte, und keinen singenden Darsteller, dem ich, ohne ihn meinerseits selbst von Takt zu That (sic!), von Phrase zu Phrase anzuleiten, die richtige Wiedergabe meiner dramatischen Gestalten zumuthen würde. Die Stümperhaftigkeit auf jedem Kunstgebiete des Deutschen ist unvergleichlich, und jeder Compromiss, welchen ich zu Zeiten mir ihr einzugehen versuchte, führte dahin, wo beim erhabener Herr und hochgeliebter Freund mich an jenem Abende der letzten Aufführung der Götterdämmerung in Bayreuth angekommen sah, als ich mehrere Male, hinter ihm sitzend, heftig aufzuckte, so dass ich vom Theuersten theilnahmsvoll befragt wurde, was mir fehle? Es war nur in diesen Augenblicken, zu demüthigend, zu gestehen, was mich so verzweiflungs(voll) erregte, und hiermit zu erklären, dass es mein Entsetzen darüber sei, wahrzunehmen, wie mein Kapellmeister, trotzdem ich ihn für den Besten halte, den ich noch kenne, das richtige Zeitmaass - öfters schon geglückt - doch nicht festzuhalten vermochte, weil - ja! weil er eben unfähig war zu wissen, warum es so und nicht anders angefasst werden müsse.

- Hierin liegt eben Alles: zufällig kann einmal etwas glücken, - aber Bewusstsein ist nicht da, - durch das, was ich meine Schule nenne. - Nun: eine Schule zu halten, ist mir erspart worden. Ich könnte es beklagen, Niemand aber darum verklagen."

Richard Wagner an Ludwig II., 27.3.1879:

"Nie ist es mir so nahe, als nach meinen letzten Erfahrungen, herangetreten, was es heisst, ein fertiges Werk von mir nun für das Gefallen der Welt durch öffentliche Preisgebung durch unsere erbärmlichen theatralischen Reproduktionsmittel vorubereiten. - Ich sagte es Ihnen schon früher einmal, mein erhabener Freund, dass mit dem letzten Federstrich einer solchen Partitur ich mein Werk nun eigentlich der Hölle weihe, welche aus jedem Takte desselben ein Folterwerkzeug für mich zu schaffen versteht. (...)

Richard Wagner an Ludwig II., 25.8.1879:

"Vor der Uebersetzung aller Zeichen und Deutungen in das "Praktische" der gemeinen technischen Ausführung muss es mir noch grauen. (...)"

Richard Wagner an Ludwig II., 31.3.1880:

"Zu meinem Unglück erfand ich die Idee von einem Bayreuther Ideal! Dieses hat nun gerade die allerunmächtigsten Menschen zu Freunden gewonnen; sie thun für ihre Verhältnisse das Unmögliche und können doch nichts andres, als weit hinter dem Nöthigen zurückbleiben!"

Richard Wagner an Ludwig II., 2.12.1880:

"Aller meiner Nöthe und tiefen Verstimmungen war nun ich eingedenk geworden, denen ich noch vor vier Jahren durch den persönlichen Umgang mit den Darstellern der Bayreuther Bühnenfestspiele verfallen war: die Erinnerung hieran hatte sogar das Gedenken des extatischen Zustandes während des Gelingens überdauert."

Richard Wagner an Ludwig II., 16.3.1881:

"Um keinen Preis möchte ich die hiesigen Aufführungen des Nibelungen-Ringes - die immer doch noch die correctesten waren! - wieder erleben, - höchstens nach meinem Tode!"

 


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