In einer
Zeit, in der nicht nur zeitgenössische Musik gespielt wird, sondern im
allgemeinen Konzertleben Werke aus mindestens 5 Jahrhunderten erklingen,
wird die heutige Inflation der Notenschrift zum echten Hinderungsgrund,
die neue Musik ihrer Wertigkeit entsprechend aufzuführen. Bei einer Vielzahl
von neueren Werken wird allein für die "Gebrauchsanweisung"
ein wesentlicher Teil der immer nur begrenzten Probenzeit benötigt, lenkt
vom Wesen der Musik entscheidend ab und schränkt die Musizierbereitschaft
ein.
Unter diesen - in der Praxis immer wieder erlebten - Umständen können
die Forderungen von Armin Köhler nicht deutlich genug unterstützt werden.
Eine absolute
Einheitlichkeit der Notation hat es freilich zu keiner Zeit gegeben, doch
war das Spektrum der aufzuführenden Werke im Wesentlichen weit geringer
und die Trennung von Komponist und Interpret nicht so weit fortgeschritten.
Die Eindeutigkeit war deshalb nicht notwendig oder im Sinne einer Imrovisationsgrundlage
nicht beabsichtigt.
Entscheidend
für den Interpreten ist bei der Erarbeitung eines neuen Werkes die weitgehende
Unmißverständlichkeit der Notation, auch wenn es um Freiheiten des Interpreten
(z.B. bei der Aleatorik) geht. Zum Anderen müssen musikalische Abläufe
komplex erfaßt werden können und das setzt eine klare Symbolik der Notation
voraus.
Von den Zeichen die Armin Köhler nennt, ist meines Erachtens für "so
schnell wie möglich" Beispiel 1 mit dem Strich links die auf Grund
alter Lese-Gewohnheiten sinnvollste Fassung, doch bleibt die Frage zu
untersuchen, ob nicht zwei oder mehr Balken das gewünschte Ergebnis noch
besser provozieren. Für die Notation von Beschleunigung oder Verlangsamung
halte ich nur Beispiel 20 und 30 für eindeutig, da Beispiel 27 bereits
verwechselbar mit dem Zeichen "so schnell wie möglich" ist,
denn nicht immer wird die Pfeilspitze eindeutig zu sehen sein.
In der Praxis stellen sich selbst bei traditioneller Notation neuer Musik
den Musizierenden behindernde Fragen von denen nur wenige genannt seien:
a. Gelten die Vorzeichen nur für die Note oder für den ganzen Takt?
Bei taktstrichloser Notation ist die Bezeichnung jeder Note unumgänglich,
sonst hat sich die Regel bewährt und als übersichtlich erwiesen: Vorzeichen
gelten für den Takt. Es gibt Ausnahmefälle, wo man sich mit Accidentien
in Klammer helfen kann und dadurch das Vorzeichen als Erinnerungszeichen
ausweist.
b. Das Verhältnis von Schreibraum und Zeit in der Notation spielt bei
der Lesbarkeit von Orchestermaterialien eine entscheidende Rolle. Seit
Materialien pro Seite bei der Herstellung bezahlt werden, gibt es da die
absurdesten Lösungen, die leider von den Verlagen nicht verhindert
werden.
c. Dauernstriche sind in Partituren zum guten vertikalen Erfassen eine
Hilfe. In den Stimmen sollten sie nur als graphische Angabe der Länge
bei taktstrichlosen Notationen verwendet werden, da die Klarheit von Ligaturen
dadurch nicht immer erfaßbar ist.
d. Die Frage nach der Notwendigkeit bestimmter Pausennotationen, die strukturell
zwar musikalische Sachverhalte erhellen können, doch beim Spielen letztlich
nicht anders klingen als eine Note mit Stacc.-Punkt. Andere Fälle komplizieren
ebenfalls ohne Wirkung, wenn einem einmaligen Taktwechsel z.B. eine Fermate
folgt, der die fixierte Wirkung ohnehin aufhebt.
Aus den genannten Beispielen sollte ersichtlich werden, daß es durchaus
sinnvoll wäre, Partituren nicht ohne Überlegung in Stimmen zu übertragen
und damit das eindeutige und schnelle Erfassen des Notenbildes zu behindern.
|