1.) Die Geschichte
Am 21.Juni 1821 ersticht Woyzeck in Leipzig seine Geliebte Johanna Christiane
Woost in einer Mischung aus "Arbeitslosigkeit, Hunger, Erniedrigung
aller Art, Haß und Eifersucht"
Er wird verhaftet und auf den Hinweis seines früheren Zimmerwirtes hin,
er habe "Wahnvorstellungen" gehabt, gerichtsärztlich untersucht.
Die erste Untersuchung ergibt: Er ist nicht Wahnsinnig. 1822 wird durch
ein zweites Urteil die Todestrafe bestätigt. Ein wissenschaftlicher und
gerichtlicher Streit über die Zurechnungsfähigkeit zieht sich bis 1824
hin. Schließlich wird er am 27.August auf dem Marktplatz in Leipzig öffentlich
hingerichtet.
Acht Jahre vor der Tat wurde Georg Büchner (am 17.10.1813) geboren.
Da der gerichtsmedizinische Fall auch noch lange nach Woyzecks Hinrichtung
diskutiert wurde, wurde auch Büchner mit diesem Fall bekannt.
1836 beginnt er mit der Niederschrift von Szenenfragmenten zu einem geplanten
Drama über den Fall "Woyzeck", der ihn natürlich in erster Linie
aus gesellschaftskritischen, nicht aus gerichtsmedizinischen Motiven heraus
interessiert. Es geht Büchner darum, die Sprache Woyzecks als Oper der
gesellschaftlichen Erniedrigungen und ferner "Entfremdung als authentische
Erfahrung" zu zeigen.
1837 stirbt Büchner ohne dieses Werk vollendet zu haben oder auch nur
eine Reihenfolge für die Szenen festgelegt zu haben.
In der ersten Gesamtausgabe von Büchners Werken wird der Woyzeck nicht
aufgenommen, da er als unleserlich und unzusammenhängend galt.
1879 behandelt Karl Emil Franzos das Manuskript chemisch und macht es
wieder lesbar. Trotzdem gibt er den Text mit zahlreichen eigenen Änderungen
und in einer Reihenfolge heraus, die seinem Geschmack entsprach, jedoch
philologisch nicht stichhaltig ist.
Der Lesfehler von Wozzeck statt Woyzeck geht auch auf ihn zurück.
Im Alter von 29 Jahren wohnt Alban Berg der Wiener Erstaufführung der
Wozzeck-Fragmente in den (heutigen) Wiener Kammerspielen bei. Er faßt
sofort den Entschluß daraus eine Oper zu machen und erste Skizzen der
Straßenszene (II,2) sind aus diesen Tagen erhalten.Aus den 26 überlieferten
Szenen wählt er 15 aus bzw. zieht sie zusammen.
Die im Jahre 1915 fortgesetzte Arbeit wird durch die Einberufung zum Kriegsdienst
für zwei Jahre unterbrochen. Die Erfahrungen des Soldaten Woyzeck macht
er also gewissermaßen am eigenen Leibe durch und später bezeugt Berg,
daß seine Oper Oper "Wozzeck" durchaus autogbiographische Züge
trägt.
Obwohl Arnold Schönberg ihm energisch abrät, an diesem Stoff weiterzu
arbeiten (er soll sich lieber mit Engeln und nicht mit Offiziersdienern
beschäftigen), kommt er immer wieder auf diese Oper zurück und hat 1919
schließlich den Text fertig zusammengestellt. Die komplette Skizze wird
1921 fertiggestellt und ein Jahr später ist die endgültig instrumentierte
Fassung fertig.
Während der Arbeit am Werk hatte er einen Artikel des Literaturwissenschaftlers
Witkowski kennengelernt, der begründet, daß die von ihm benutzte Ausgabe
von Franzos unendlich viele Fehler und Willkürlichkeiten enthält. Berg
erkennt, daß nur eine Neukomposition oder eben die Weiterkomposition des
"falschen" Textes die Alternativen sind. Neukomposition scheidet
in diesem fortgeschrittenen Stadium aus. Deshalb entscheidet er sich nach
langem Zögern auch für die falsche Schreibweise "Wozzeck" die
letztlich nur ein Lesfehler von Franzos ist.
Die Uraufführung findet schließlich unter Erich Kleiber an der Berliner
Staatsoper Unter den Linden am 14.12. 1925 (11 Jahre nach seiner ersten
Idee) statt.
Kritik: H.H.Stuckenschmidt "Der Abend bildete nicht nur die größte
Sensation dieser Saison, sondern auch ein Ereignis von Bedeutung für die
Geschichte der Musikdramatik überhaupt.
oder
Paul Zschorlich über die gleiche Aufführung: "Die Musik von Alban
Berg ist wahrhaft entsetzlich. Von dem in Jahrunderten errichteten Harmoniegebäude
ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Das Orchester quiekt, wiehert,
grunzt und rülpst." "Da zwischen den einzelnen Szenen, die wie
Kientoppbilder vorüberziehen, kaum zwei Minuten Pause sind, mußte alles
Dekorative auf Andeutungen beschränkt bleiben. Es werden immer schnell
ein paar Kulissen zusammengestellt, deren Ausführung der Schludrigkeit
der Musik vollkommen entspricht. Über das Werk selber, das ich als eine
Katastrophe unserer Musikentwicklung empfinde, wird ein Artikel in der
nächsten Ausgabe ausführlich handeln
2.) Die Personen und ihre Charaktere
Wozzeck: Seher,(Bibelzitate, Texte der Apokalypse)
Bariton.(2 1/2 Oktaven Umfang)Posaune, Mollakkord
Marie: auf der Suche nach dem besseren Leben
Mezzosopran(2 1/2 Oktaven Umfang)Sologeige, Quintenakkord
musikalische Blutsverwandschaft mit Wozzeck
(Wir armen Leut)
Mariens Knabe: Das unwissende Opfer, die Hoffnung
Tambourmajor: die trügerische Hoffnung Maries für den gesellschaftlichen
Aufstieg. (Blendwerk)
Tenor (!) martialisches Instrumentarium/Marschmusik
Andres: Mitsoldat Wozzecks (Freund??) tumber Kamerad
Sänger im Sänger (sing lieber mit)
Lyrischer Tenor
Hauptmann: Nur in Uniform eine Person. Sobald diese fehlt ist er hilflos.
Typischer Militär. Angst vor Schnelligkeit (Langsam, Wozzeck, langsam)
Der philantropische Vorgesetzte
Englischhorn, Leitthema
Doktor: Der misanthropische Weltverbesserer, dem es nicht um den Menschen
sondern nur um die Wissenschaft um der Wissenschaft willen geht.
Der Gelehrte der durch reine Zwölfton-Kunstruktionen
charakterisiert wird.
Walzer, Rhythmische Diminuition
2 Handwerksburschen: Im Suff sprechen sie Wahrheiten über das Leben der
armen aus.
Der Narr: Ich rieche Blut
Margret: Die alternde Dirne
3.) Die Handlung
Ein gemeiner Soldat(Wozzeck) wird gequält von einem seiner Vorgesetzten
(dem Hauptmann"Exzerciezengel"), gequält durch einen Arzt(Doktor"Sargnagel")
durch Experimente für die er ein lächerlich wenig Geld bekommt, welches
er braucht um seine Geliebte (marie und deren Kind) erhalten zu können,
und schließlich gequält durch Visionen. Marie wird durch den attraktiven
Tambourmajor verführt. Gequält durch den Zweifel, der von anderen beußt
geweckt wird, schließlich überzeugt von Maries Untreue, ersticht Wozzeck
seine Geliebte und ertränkt sich.
4.) Die Form
5.) Die Motive
"Erinnerungsmotive" sowohl horizontal (als Melodie) wie auch
vertikal (als Akkord)
6.) Musikalische Einflüsse
Schönberg: 12-Ton-System, Pierrot luniare-Melodram Sprechgesang
Beethoven 6. (fugenthema)
Schumann Op. 30 Nr. 3
Mahler: Lob des hohen Verstandes,Schenken-Musik, Aufführungstechnische
Hinweise z.B."Ohne Rücksicht auf das Tempo" Perpetuum mobile-Schluß
(Mahler iV)
R.Strauss: Besetzung (KO-SO wie FroSch) Kontrabaß-solo (Stöhnen aus Salome)
Strauss-Glissandi
Schönberg: Kammerorchester-Besetzung wie Kammersymphonie Op. 9
7.) Die Produktion
Das "Gelb", das "Haus", Militärblau,giftgrün, Rot
für Erotik, grau für die Erniedrigten.
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