Opera & Operette

Richard Strauss: Die Frau ohne Schatten

 

© 2004 Hartmut Haenchen

 

Die Entfernung von der Wirklichkeit durch das Märchen bringt die größte Nähe (HH)

Den ersten Einfall......
(Strauss-Buch S. 191)
Strauss: "FroSch, das Schmerzenskind, wurde in Kummer und Sorgen während des Krieges vollendet, nachdem durch die menschliche Güte eines bayrischen Majors Distler eine vorzeitige Einstellung meines Sohnes, dessen Herz mit seinem großen Wachstum nicht Schritt gehalten hatte, verhindert worden war.... Diese Kriegssorgen haben wohl auch der Partitur, besonders gegen die Mitte des 3.Aktes eine gewisse nervöse Überreiztheit eingetragen, die sich schließlich im Melodram 2entspannte".
...um von diesem ersten großen Erfolg ab einen längeren Leidensweg über die deutschen Bühnen anzutreten. In Wien selbst wegen anstrengender Rollen und Dekorations-Schwierigkeiten öfter abgesagt als gegeben, strauchelte das Werk schon an der zweiten Bühne (Dresden), wo es szenisch so unvollkommen vorbereitet war, daß ich nach der GP den Intendanten um eine Premierenverschiebung um mehrere Tage bitten mußte. Trotz des vortrefflichen Orchesters unter Fritz Reiner litt der Abend sehr unter der unzureichenden Färberin- es war keine reine Freude!
Es war ein schwerer Fehler, dieses schwer zu besetzende und szenisch so anspruchsvolle Werk unmittelbar nach dem Krieg mittleren und kleineren Theatern anzuvertrauen.
...... und gerade künstlerische Menschen halten es für mein bedeutendstes Werk.

1.) Umfassendste geistige Werk des 2o.Jahrhunderts über die Frage des Menschsein.
Musikalische Zusammenfassung aller vorausgehender Stilepochen bis hin zur modernenVorausschau der Atonalität.Es ist nicht durchgängig von den größten Einfällen Strauss gekennzeichnet. Es ist aber der Gipfelpunkt der Instrumentierung (Solo-Elektra,Glasharmonika,Chorfunktion,Orgel,chinesische Gongs)

2.)Verehrung von Mozart durch Strauss. Doch die Unterschiede gewaltig.Geistig,Gesellschaftl.
Am ehesten in der musikalischen Sphäre des Kaiser-Paares. Homophonie. Dieses Werk ist aber ins gesamt gesehen, eine Gipfelwerk der Polyphonie. Im letzten Zwischenspiel werden z.B. gleichzeitig 7 Motive gespielt. Ein Meisterwerk der Polyphonie und der musikdramatischen Ausdeutung.

3.)H: "Das ganze verhielte sich, beiläufig gesagt, zur Zauberflöte so wie der Rosenkavalier zum Figaro." Hoffmansthals Idee, das "Buffopaar", einem "Wiener Flickschneider" und seiner schönen unzufriedenen Frau " zu übertragen und diese "Figuren der unteren Sphäre im Dialekt" reden zu lassen, wurde leider (?) schon bei der ersten Textkonzeption zugunsten einer mehr ins Symbolische weisenden Lösung aufgegeben.
Zauberflötenproblematik: Schikaneder zielte auf Bühnenwirksamkeit. Hofmannsthal zielt auf geistige Wirkung und die Theatereffekte wirken eher verwirrend, als helfend.
Hofmannsthal schrieb einen undramtischen episch-lyrischen Text im Gegensatz zur Zauberflöte. Die verwirrende Vielfalt der Symbole, die zwischen Realität,Irrealität,Illusion und Traum ständig wechselnde Handlung und die dementsprechend komplexe Musik, machen das Stück nicht zu einem Volksstück (was von Schikander (nicht so von Mozart) beabsichtigt war.
In der Zauberflöte wird das Sinnlose klar- hier wird das Sinnvolle, das psycholgisch Erklügelte, verworren. Aber damit nicht weniger bedeutend. Es ist nicht konsumierbar im Sinne anderer Opern.

Schatten: Symbol (schon in der Bibel) Symbol der Fruchtbarkeit, diese ist aber- und das ist eine wichtige Quintessenz des Stückes - ohne menschliche Läuterung nicht möglich.
(Prüfungssituationen)

Für mich ist die "FroSch" mehr eine Parallele zum Faust 2.Teil (Amme-Mephisto,
Faust-Kaiserin, Ungeborene usw.)
Die Frau ohne Schatten ist die Kaiserin. Da liegt das Mißverständnis.

a.) Inhalt Nimm Deine Vorteile nicht auf Kosten anderer

b.) Inhalt

Die kinderlose Kaiserin, ist Tochter des Geisterfürsten Keikobad. Wenn sie nicht innerhalb eines Jahres ein Kind gebiert, muß sie ins Geisterreich zurück, und der Kaiser erstarrt zu Stein. Auf Rat der Amme begibt sie sich ins Menschenreich, um von des Färbers Frau einen Schatten zu erhandeln, weil diese keine Kinder haben will. Inzwischen ist die Frist schon verstrichen und der Kaiser ist versteinert. Die Kaiserin möchte ihn zum Leben erwecken, das geht aber nur, wenn sie vom Lebenswasser trinkt und sie dadurch den Schatten der Färberin erhält. Sie bringt es aber nicht fertig, andere Menschen unglücklich zu machen, trennt sich von ihrer Ratgeberin, der Amme. Ihr Erkenntnis und Läuterung wird belohnt, indem der Kaiser wieder lebendig wird und für ihre Menschlichkeit wird sie belohnt. Auch die Färberin hat das Unnatürliche ihres Tuns erkannt, wird geläutert und findet sich in tiefer Liebe zu ihrem Mann. Die Stimmen der Ungeborenen lobpreisen die geläuterten Menschen.

c.) Pyramide

d.) Quellen

Schattenlosigkeit: Nikolaus Lenaus Dichtung "Anna" ist Schattenlosigkeit die selbstverschuldtete Unfruchtbarkeit einer Frau, bei Chamissos "Schlehmil" ist es jemand, der jede soziale Bindung verloren hat. Das nordische Grundmotiv ist orientalisch kostümiert mit Bildern aus Tausend und einer Nacht (so der Falke, der der Gazelle in die Augen schlägt, die in der Pfanne schmorenden Fischlein, die mit Kinderstimmen klagen Geschichte vom steinernen Prinzen) (Hier übrigens ein Berührungspunkt mit Wagners Jugendoper "die Feen"

FroSch: Erzählung: (später als das Libretto geschrieben)

Hoffmansthal glaubte mit dieser Erzählung eine "Allegorie des Sozialen" geschaffen zu haben.
Der Weg zum Sozialen, als einer alles umfassenden Welten- und Menschharmonie, wird möglich durch die sittliche Tat der Kaiserin, die durch ihr Mitleid für eine "Niedrige", die Grenzen ihrer feenhaften Herkunft überwindet und Mensch wird.
Der Weg zum Sozialen als Weg zum höheren Selbst.

4.) Eröffnung

Durchaus: In beiden Werken wird die höhere Macht angerufen (Hier Keikobad:Bsp.)
Als Namensrhythmogramm, wie in Elektra "Agamemnon".

5.) Prinzip der zwei Orchester

Ursprünglich von Strauss vorgeschlagen. Dann aber nicht konsequent durchgehalten.
Warum? Annäherung an das Menschsein
Trotzdem: Kaiserin:Solovioline, Kaiser:Solocello

6.) Symbole

Talisman:
Kaiserin: "Das wußte ich freilich nicht, daß er es war, der mir die Kraft gab, aus mir heraus und in den Leib eines Tieres hinüberzuschlüpfen." (S.60)
In der Erzählung erhält sie den Talismann zurück und darauf steht:
"Fluch und Tod dem Sterblichen, der diesen Gürtel löst, zu Stein wird die Hand, die es tat, wofern sie nicht der Erde mit dem Schatten ihr Gehscick abkauft, zu Stein der Leib, an den die Hand gehört, zu Stein das Auge, das dem Leib dabei geleuchtet- innen der Sinn bleibt lebendig, den ewigen Tod zu schmecken mit der Zunge des Lebens- die Frist ist gesetzt nach Gezeiten der Sterne."
Schluß: "Sie wußte nicht, daß auf dem Talisman an ihrer Brust längst die Worte des Fluches ausgetilgt und ersetzt waren durch Zeichen und Verse, die das ewige Geheimnis der Verkettung alles Irdischen priesen." (S.180)

Der Speer und die Gazelle:
Kaiserin: "Und erst dieser Schrei (als sie sich zurückverwandelt hatte), so hat er mir gesagt, hat ihn aus der Besessenheit(der Jagd) aufgeweckt und uns beiden das Leben gerettet. Nie aber", fügte sie leiser hinzu, "ist einer Frau ein herrlicherer Anblick zuteil geworden als auf dem Antlitz meines Liebsten der jähe Übergang von der tödlichen, Drohung des Jägers zu der sanften beseligung des Liebenden. Ach und nur einmal und nie wieder bin ich so die Seinige geworden und soll nie wieder sein Gesicht so übergehen sehen."

Liebe Amme:
"Sich an einen Menschen hängen, heißt sich ausgießen in ein durchlöchertes Faß" (S. 63)

Mörser:
Wird von der Frau mutwillig umgestoßen (S. 73)

Junger Mann:
Die Amme behauptet, daß der junge Mann (auf der Brücke) ihr den Hinweis gegeben hat, daß sie (die Frau) Dienerinnen braucht. (S. 75)

Ablegen des Schattens:
Amme zur Frau: "Du bist es, die über ihren eigenen Schatten springt, die abgeschworen hat ihres Mannes unablässiger, vergeblicher Umarmung und zu sich selber gesprochen: Ich bin satt worden der Mutterschaft, ehe ich davon gekostet habe. Du bist es, welche die ewige Schlankheit des unzerstörten Leibes gewählt hat und abgesagt in ihrer Weisheit einem zerüttetem Schoß, und den frühwelken Brüsten."(S. 76/77)

Jüngling:
"daß es einer von den Efrit war,welche beliebige Gestalten annehmen können, um die Menschen auszulocken und zu überlisten."(S. 91) "mit unbezähmbarer Gier, die seine Züge durchsetzten."

Kleidung Amme
bei Besuch der Färberin: schwarz und weiß gefleckt wie eine Schlange

Kaiser:
Ich bin gewohnt, zu erreichen, was ich begehre! (S.113)

"Dienst ist ein Weg zur Herrschaft, es gibt keinen anderen, o großer Kaiser!"

7.) Die musikalischen Charaktere

Kaiserin a.) Das Dienen der Kaiserin (Bsp)

Feenkind, Keikobads-Tochter

Kaiser a.) Der Kaiser (Mit Speermotiv) (Bsp)
Färberin( erste Färberin war Lotte Lehmann: Sie hatte Angst vor der Partie. Strauss lud sie zum Studium in sein haus nach Garmisch. Sie hatte vorgearbeitet. "Jaja" sagte er beim ersten Durcnehmen, "das ist wirklich schwierig. Ich hab schon gefürchtet, ein Sänger kann´s kaum erlernen. Aber probvierens wir´s." Man probierte jeden Vormittag, auch wenn die Sonne noch so schön schien. Lotte Lehmann berichtet: Ich lernte einen ganz anderen Strauss kennen. Wir arbeiteten am Klavier so konzentriert, wie ich es bisher nie erlebt hatte. Er sagte wenig. Er wollte, daß ich die Auffassung selber entwickle. Schwierige Stellen arbeiteten wir sorgfältig aus. Vereinfachungen, Punktierungen ließ er nicht zu. Und wenn etwas gelang, schienen seine Augen feucht zu werden. Ich glaubte mich zu täuschen, denn der kühle, unpersönliche Mann konnte doch nicht......oder doch?"
a.) Motiv des Keifens (Bsp)
b.) Motiv der Angst (Bsp)
c.) Motiv des Zornes (Bsp)

"...hat sich merkwürdigerweise die Figur der Färbersfrau noch nicht recht in Musik übersetzt, während mir Barak ausgezeichnet liegt. Aber ich werde fleißig daran arbeiten und hoffe, auch dies zu bewältigen. (S. anH.16.7.1914)

Barak (D-Dur) könnte "leichtlich der Vater seiner Frau sein." (S. 76) (: Die ungeborenen Kinder, die den Kaiser bedienen S. 124) "Heil dir Barak, du bist nur ein armer Färber, aber du bist großmütig und ein Freund derer, die da kommen sollen!"

a.) als Richter (Bsp)
b.) Barak-None (Bsp)(Baraks Zärtlichkeit)
c.)Barak als Beschützer (Bsp)
d.) Motiv der Verzweiflung mit Barak-None (Bsp)
e.) Motiv der Arbeit (Bsp)
f.) Motiv der eheleichen Treue (Bsp)
Amme (a-moll)
a.) Motiv der Unfruchtbarkeit (Lossagung von der Mutterschaft) (Bsp)
b.) Motiv der Amme (Bsp)
c.) Motiv des Ekels (Bsp)
d.) Motiv des Dienens (Bsp)

8.) Die musikalischen Symbole

Keikobad (Bsp)
Mahnruf der Wächter (Bsp)
Schatten (Bsp)
Motiv des Fluches (Bsp)
Gerichtsfanfare (Mann, geh nach oben, der Weg ist frei)(Bsp)
Falkenruf (Bsp)
Motiv der ungeborenen Kinder (Bsp)
Haß-Motiv (Bsp)
Motiv der Botschaft (von oben kommend) (Bsp)
Menschen-Motiv (aufstrebend) (Bsp)
Das eherne (doppelte Bedeutung)Tor (Bsp)
Die Treppe zum Tempel des Gerichts (bsp)

9.) 8 Zwischenspiele die für sich genommen schon das Ausmaß einer symphonischen Dichtung haben. (Viel später Suite aus "FroSch")
Gr.Zwischenspiel 1.Akt (A.und K.: "Sie tauchen hinab in den Abgrund der Menschwelt, das Orchester nimmt ihren Erdenflug auf) Beginnt mit Kaisermotiv (Bsp.).Dazwischen Fluch(Stein)- Motiv (der Grund für die Reise)(Bsp.),Einwürfe des Keikobad-Motivs (Bsp),Haßmotiv
der Amme (Bsp) und schließlich je mehr sich die beiden der Menschwelt nähern, daß
Arbeitsmotiv (Stumpfsinn) (Bsp)

10.) Wenn man unter Romantik eine zum Gefühlvollen, Wunderbaren, Märchenhafte und Phantastische Weltauffassung und Darstellung versteht, stimmt das natürlich mit unserem
Werk überein.
Die Philosophie des "Dasseins als ewiges Werden und das Einzelne als Ausdruck des Unendlichen" trifft genau den Kernpunkt des Werkes.
Als Ziel der Kunst der Romantik galt die Verwandlung der Welt in Seele und Geist durch die
von Sehnsucht (Barak-Motiv)Bsp. nach dem Unendlichen bewegte Phantasie

11.) Daran gemessen, daß Karajan mit 58 Sprüngen und einer Szenen-Umstellung dieses Werk stets aufführte, bieten wir ein sehr komplettes Bild des Ganzen.
1.Akt 4 Sprünge
2.Akt 9 Sprünge
3.Akt 10 Sprünge (Insgesamt 23)
Auf der Böhm-CD sind z.B. immerhin noch 32 Sprünge

Ein Motiv in der Metamorphose des Werkes

Intervall: Sehnsucht None, Grenzüberschreitend

a)Zunächst als Ablehnung und Haß. Erstmalig durch die Färberin (I, 2 15 , 17,24,36))
b)Dann in seiner eigentlichen Funktion als "Sehnsucht" nach den "Gepriesenen die da kommen"
(Kinder) (I,2 39-43)
c)Klage über den Verlust der Fruchtbarkeit (nach I, 2,96)
d) Haß (nach I,2, 1o1
e)Spitze Zunge und Sehnsucht hintereinander (II,vor 46)
f)Angst um Barak (II, vor 103)
g) Traummann (II, 112)
h)"Sieh des Mannes Auge, wie es sich quält" Kaiserin (ganzes Zwischenspiel)(II,147)
i)Schulderkenntnis (Läuterung) "Was ich berühre,töte ich" (II,187)
j) Umkehrung der None= Umkehr der Frau "Dich wollt ich verlassen,Dich wollt ich vergessen (III, nach 6)


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